11 September 2006

mein 11.September

vielerorts wird derzeit gefragt: wo waren Sie, wie haben Sie es erlebt...

Es war ein annähernd goldener September-Tag wie der heutige. Ich recherchierte im Büro, das ich mit 2 Kolleginnen teilte im Internet, als die eine Kollegin am Telefon auf die Vorgänge hingewiesen wurde. Ich wechselte sofort auf Nachrichten-Seiten und konnte nicht glauben was ich dort las. Kurzerhand nutzte ich die Gelegenheit und setzte mich nach Hause ab, denn seit kurzem war ich arbeitszeitmäßig mein eigener Herr - und für den Abend war eigentlich noch ein Meeting weit außerhalb angesetzt. Zeit genug an sich.

Zuhause angekommen, klinkte ich mich in die fortlaufende Berichterstattung im TV ein. Es ist schwer zu beschreiben, was in meinem Innern vorging, als ich den ersten der Türme einstürzen sah. Irgendetwas in mir stürzte ebenfalls ein. Mein unverbesserlicher Optimismus, diese Welt betreffend... mein Glaube, das diese Zivilisation sich in absehbarer Zeit berappelt und zu ganz neuen Höhen aufschwingt ..? All dies schoss in wenigen Sekunden in unerreichbare Ferne.

Ungläubig verfolgte ich die Berichte im Fernsehen und fragte unterdessen telefonisch, ob unter diesen Umständen das Vertriebsmeeting tatsächlich stattfinden würde. (Ich für meinen Teil hielt es für komplett unangemessen, sich an diesem Abend über Strategien und Vertriebsziele zu unterhalten). Doch: es galt, ich musste ins Auto und 60km durchs Emsland fahren.

Kurz gesagt: ich folgte den Ausführung unserer -im Rückblick- banalen, trivialen kleinen Konferenz bestenfalls halbherzig. Innerlich brodelte es: Wie kann man an so einem Tag die Außenwelt abschotten ? Was sind das für Menschen ? Beim anschließenden Essen Allgemeinplätze über die Vorkommnissse, die auf dem Fernseher des Hotels wieder und wiederholt wurden.

Heilfroh war ich, als ich endlich nach Hause starten konnte. Schon im Auto telefonierte ich mit meiner allerbesten Freundin, die damals bei mir gegenüber wohnte.

Mein Innerstes verlangte nach einem: Kontakt aufnehmen mit lieben Menschen. Wenn es schon nicht Kraft war, die wir uns spenden konnten, so wenigstens das Gefühl, das wir nicht allein sind. Dass wir bei all dem nicht palavern - und schon gar nicht über ein Produkt, das mein Arbeitgeber heutzutage genau jetzt genommen drittes mal lanciert.

Der Tag ging sehr spät zu Ende. Einer der ersten Gedanken des nächsten Morgens war, dass diese Welt in der Tat nicht mehr dieselbe ist.

Fußnote: mir ist bewusst, dass all dies lediglich die Auswirkungen in "unser" Welt betraf, dass " Diese-Welt-ist-nicht-mehr-dieselbe" für Menschen in Ruanda, im Kosovo, in Somalia auf ganz andere Weise schon Jahre zuvor klar geworden war.

Auch wenn im Nachhinein völlig andere, neue und noch beunruhigendere Fragen im Zusammenhang mit dem 11.09. aufkamen:
Ich gebe zu, dass dieser Tag für mich ein "Weckruf" war.