08 Oktober 2007

Schwuler Messias

"..better pray for your sins - 'cause the gay messiah's coming.."
Wieso fühle ich mich bemüßigt hinzuweisen, dass ich hetero bin ? Tststs.


Rufus Wainwright live am 05.10. in der Volksbühne Berlin

Tja. Was soll ich noch sagen. Oder aber mit dem Reden gar nicht mehr aufhören.

In der Tat wusste ich im Voraus so viele Details -von der Setliste bis zu Kostümwechseln- dass es doch eigentlich bloß auf ein Abgleichen der Erwartungen mit dem Erlebten hinaus laufen würde. Wenngleich wissend, wie umwerfend Rufus Wainwright performt, also wenig Anlass zu Überraschung oder Überwältigung, oder ?

Wenn ich beim ersten Song zwar schon vor Wonne breit grinste [was daran lag, dass er sich beim Opener "Release the Stars", dass einem grandiosen Finale würdig gewesen wäre, schon (Pose,Gesang,Volumen) absolut ins Zeug legte], hatte ich also obige Anwandlung; ...doch es wurde einfach besser und besser. Anders gesagt, es ließ nie nach. Abende mit solcher Musikalität erlebe ich wirklich selten.

Wie er (nebst Bläsersektion) ohne Mikrofon "Macushla", einen altes irischen Folksong schallend bis in den Rang der Volksbühne hinauf schickte, sich mit geschlossenen Augen wiegend der Volksweise hingebend. Wie -mit ein paar Kniffen- er mit seiner Band auch die komplexen Songs (die auf den Alben z.T. mit Dutzenden Musikern eingespielt wurden) stemmte. Wie er stimmlich alles gab. Wie er immer wieder -gewollt oder ungewollt- mit seinen Moderationen inklusive ex-tempores für Humor sorgte. Wie viel wirklich geboten wurde (zwei Sets plus üppiger Zugabe). Wie seine Stimme immer das leitende Organ war. Wie "alte" von Fans geliebte Stücke der ersten Alben angenehm überraschten. Und immer wieder die kühne Anmut seiner Komposition [ ja, ich hebe gleich ab ] besonders bei den teils elegischen Songs, solo am Piano.

Leider saß man fast den ganzen Abend. Gegen Ende gab es dann doch nach jedem Song nur noch standig ovations. Und die Zugabe hatte es wirklich in sich, auch wenn ich davon halt schon wusste:

Nachdem er im Bademantel am Piano drei Songs teils mit Band gespielt hatte, ging diese ab, er setzte sich im nur langsam verhallenden Applaus stumm auf einen Stuhl am Bühnenrand, legte Schmuck an und Lippenstift auf, tauschte seine Halbschuhe gegen high heels -um dann den Bademantel fallen zu lassen und darunter einen smarten Blazer und (zugegeben) klasse Beine in Strumpfhosen zeigte. "Get happy" aus seiner Judy-Garland-Hommage brach förmlich los. Wobei er mit der gesamten Band (dies war ausnahmsweise ein Playback) in schwarzen Anzügen eine ausgelassen aberwitzige Choreografie um ihn als Diva aufführte. Umwerfend in Pose.

(wobei er noch vorher gewitzelt hatte, er würde seine Hommage an Garlands 1961 Carnegie Hall Konzert nie mehr live aufführen:
"I did it at the Hollywood Bowl recently and that was the last time ...because...otherwise - I will turn into her..."

Und dann eben "Gay Messiah" als letzte Zugabe. Wenn er sich darin auch erklärtermaßen nicht selbst beschreibt, sondern eine Figur, die die Community, diese Welt seiner Meinung nach braucht : wie sehr er doch dem Nahe kommt...

Wenn ich ein Attribut aussuchen sollte, dass diese Performance, seine Leistung am besten wieder gibt suche wäre es: beherrschend. Im Sinne von: er beherrscht seine Stimme, seine Musik in so gut wie jeder Situation traumwandlerisch - und es ist eine reine Freude, ihm zuzusehen, wie er sich darin ergeht. Wie er die Songs lebt.

Die vorletzte Zugabe, in der Version aus Madrid 21.06.07 . Wie gesagt zum Playback seines Auftrittes mit Big Band in der Hollywood Bowl.

Worauf eben sehr passend "Gay Messiah" folgte...hier live in Montreux. Bekomme schon wieder Gänsehaut. Nach über zwei Stunden noch so bei Stimme !